Netzwerk­arbeit in der ambulanten Kinder­hospiz­arbeit

Erfahrungen aus dem Flächenland Mecklenburg-Vorpommern

In diesem Jahr wird der ambulante Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst OSKAR fünfzehn Jahre alt. Ein Grund zum Feiern, denn es waren durchaus steinige Wege, die die Mitarbeitenden des gesamten Dienstes bis heute zurücklegen mussten. Bis zum Jahr 2007 gab es in Mecklenburg-Vorpommern ausschließlich ambulante Dienste für Erwachsene. Anfragen für die Begleitung von Minderjährigen wurden jedoch zu jeder Zeit durch die bestehenden Hospizdienste übernommen - ganz im Sinne des ursprünglichen hospizlichen Gedankens, jeden Menschen, unabhängig von Alter, Herkunft und Nationalität zu begleiten. Es war schließlich, ähnlich wie in vielen anderen Bereichen Deutschlands, die unermüdliche Initiative betroffener Eltern, die auf die Notwendigkeit erweiterter ambulanter und palliativer Strukturen insbesondere bei Kindern hinwiesen.

Im Jahr 2007 trafen glücklicherweise gleich mehrere Initiativen, die Sorge für eine bessere Begleitung lebensbegrenzend erkrankter Kinder und ihrer Familien tragen wollten, aufeinander. Zum damaligen Zeitpunkt war es ausdrücklicher Wunsch der Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz und Palliativmedizin Mecklenburg-Vorpommern, die ambulante Kinderhospizarbeit sowie die Palliativversorgung für Kinder nach und nach landesweit zu etablieren. Prof. Dr. Carl Friedrich Classen, bis dato der einzige Palliativmediziner für Kinder in Mecklenburg-Vorpommern, arbeitete zudem zeitgleich an einem SAPV-Team für Kinder im nordöstlichsten Bundesland mit ähnlichen Herausforderungen und Problematiken - extrem weite Entfernungen und ein enormer Mangel an Fachkräften. Die damals beginnende Arbeit wurde so zu einem Projekt der kleinen Schritte, die nur nach und nach gegangen werden konnten. Ich persönlich kann mich noch sehr gut an die vielen Spaziergänge mit Prof. Dr. Classen erinnern, in denen wir Visionen und Hoffnungen für eine bessere Versorgung der Kinder unseres Landes erträumten. Bis heute sind es immer wieder die vertrauensvollen Beziehungen zwischen einzelnen Akteur*innen, die diese gemeinsame Arbeit tragen.

Zusammen mit der Universitätsmedizin Rostock entwickelte sich noch im Jahr 2007 unter gemeinsamer Federführung das Palliativnetzwerk Mike Möwenherz. Bis heute werden hier regelmäßig Akteur*innen aus verschiedenen pflegerischen, hospizlichen, therapeutischen, pädagogischen und medizinischen Bereichen sowie betroffene Eltern selbst zu gemeinsamen Fortbildungen und landesweiter Netzwerkarbeit eingeladen. Deutlich wurde, dass durch die zentrale Versorgung erkrankter Kinder an den Universitätskliniken des Landes viele Familien sehr weite Fahrtwege in Kauf nehmen müssen. Das SAPV-Team für Kinder und auch wir als Kinderhospizdienst standen vor der großen Aufgabe, Familien auch im weit entfernten Pasewalk (180km), Boizenburg (170km) oder Sassnitz (150km) zu erreichen, um ihnen ein stabiles Netz an professioneller Begleitung anzubieten.

Mit Blick auf die Möglichkeiten ehrenamtlicher Tätigkeit wuchs der Gedanke, dass es hilfreich sein kann, Begleitungen nicht allein von Rostock aus zu steuern, sondern in Zusammenarbeit mit den bestehenden Diensten des Landes ein Netz qualifizierter Hospizbegleiter*innen zu entwickeln, welche durch eine zusätzliche Ausbildung für die Begleitung von Kindern und ihrer Familien qualifiziert werden. Heute findet alle zwei Jahre neben der regulären Ausbildung ambulanter Kinderhospizbegleiter*innen eine Zusatzqualifizierung für bereits tätige Hospizmitarbeitende bestehender Dienste statt. Die Zusatzqualifizierung übernimmt der ambulante Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst OSKAR. Sie umfasst sechzig Ausbildungsstunden und fokussiert Themen rund um die Begleitung von Kindern im Familiensystem. Spezifische Fragen zu Kommunikation, Entwicklungspsychologie, lebensbegrenzenden Erkrankungen, Geschwisterarbeit und den Besonderheiten kindlicher Bewältigungsstrategien können so gezielt erarbeitet werden.

Durch die Kooperation mit dem landesweit tätigen SAPV Team Mike Möwenherz und der regulären Öffentlichkeitsarbeit der Hospizdienste vor Ort können Familien sowie medizinische, pädagogische und therapeutische Einrichtungen informiert und eingeladen werden, kinderhospizliche Angebote zu nutzen. Der Expertise langjährig tätiger Koordinator*innen der einzelnen Hospizdienste, den bereits vorhandenen Strukturen und der gewachsenen Zusammenarbeit mit lokalen Netzwerkpartner*innen kommt dabei eine sehr große und äußerst hilfreiche Bedeutung zu. Zwei weitere Dienste für die Begleitung von Kindern in Schwerin und Greifswald bereichern mittlerweile die Hospizlandschaft. Durch ein vertrauensvolles Miteinander ist es heute möglich, dass alle Familien, die sich an die bestehenden Dienste wenden, Unterstützung erfahren - unabhängig davon, in welchem Teil des Landes sie leben.

Ein Artikel von Madlen Grolle-Döhring
Koordinatorin beim Ambulanten ökumenischen Kinderhospiz- und Familienbegleitdienst
der Diakonie Rostocker Stadtmission

kinderhospiz@rostocker-stadtmission.de

Der Artikel erschien im Bundes-Hospiz-Anzeiger 02.2022 des Deutschen Hospiz- und PalliativVerband e.V.

 

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