Weihnachten bei der Rostocker Tafel: Große Freude über kleine Pakete

Überraschung für Kinder: Rund 250 Geschenkbeutel überreicht / OZ sammelt weiter Spenden

Toitenwinkel. Melinas Augen strahlen vor Glück. An diesem trüben und grauen Dezembertag ist für die Achtjährige bei der Toitenwinkler Tafel schon Bescherung. „Oh Mama, darf ich es schon auspacken?“, fragt sie mit Blick auf das Geschenkpaket in ihren Händen. Mama Vivien ist liebevoll, aber bestimmt. „Nein, heute noch nicht“, sagt die 34-Jährige. Für sie als Alleinerziehende ist das Angebot der Rostocker Tafel eine große Hilfe. „Ich drehe eh schon jeden Euro zweimal um. Aber mittlerweile reichen 50 Euro nicht mehr für uns zwei, um eine Woche über die Runden zu kommen“, sagt die junge Frau.

Einmal pro Woche kommt sie deshalb mit vielen anderen zur Ausgabestelle im Stadtteil- und Begegnungszentrum. Immer montags und mittwochs werden den Bedürftigen dort Lebensmittel ausgeteilt. „Heute ist mal wieder gut was da, aber wir hatten schon Tage, da waren es viel zu wenige Spenden, die wir zum Verteilen hatten“, sagt Antje Schultz. Seit einem Jahr leitet sie ehrenamtlich die Tafel in Toitenwinkel und kann sich dabei auf einen festen Stamm von sieben Mitstreitern verlassen. „Mein Team hier kann zaubern, macht auch aus wenig viel“, lobt die Chefin.

Der schönste Lohn für alle sei die Dankbarkeit der Menschen, die zu ihnen kommen. So wie eine junge Frau, der schon beim Anblick eines kleinen Kekspaketes für die Weih- nachtstage fast die Tränen kommen. „Danke, danke“, sagt sie immer wieder in Richtung der Tafelmitarbeiter und bemüht eine Handy-Übersetzungs-App, um ihren Gefühlen noch mehr Ausdruck zu verleihen. „Gerade die Menschen aus der Ukraine sind unglaublich dankbar“, hat Antje Schultz beobachtet.

Und das steigere sich nochmal vor Weihnachten. Denn alle Bedürftigen mit Kindern im Al- ter bis zu zehn Jahren konnten sich für eine Überraschung vormerken lassen. Schon seit September haben die Angehörigen des Tafel-Gründers – Mitglieder der Familie Wegner/Neusser – rund 250 Päckchen für die bedürftigen Kinder gepackt. Liebevoll und dem Alter entsprechend zusammengestellt – mit Kleidung, Puppen, Spielen, Autos, Büchern, Süßigkeiten und anderen schönen Dingen. In den verschiedenen Ausgabestellen der Tafel wurden die Pakete nun in dieser Woche verteilt. An Melina, aber auch an andere Kinder wie die Geschwister Hadi, Ahmed und Lima.

Das Team der Toitenwinkler Tafel kennt die Menschen, die zu ihnen kommen, genau. Und sogar deren Bedürfnisse. „Wir wissen, wenn jemand Diabetiker ist. Der bekommt dann auch kein Weißbrot, sondern eben welches aus Vollkorn“, nennt Antje Schultz ein Beispiel. Unter den Abholern sei jede Altersgruppe vertreten. „Die Älteste ist 74.“ Weil es für viele Bedürftige immer noch mit Scham verbunden sei, die Tafel zu brauchen, achten die Ehrenamtler sehr auf einen freundlichen und wertschätzenden Umgang miteinander.

Niemand muss sich dafür schämen, Hilfe zu brauchen. Aus Gründen des Datenschutzes werden die Abholer mit Nummern angesprochen. Dabei weiß das Team genau, wer da kommt. Und kennt auch Details aus dem Leben. Ein Mann, der sich zusätzlich zu Obst, Gemüse und Brot noch für wenige Euro ein Set mit Damenparfüm mitnimmt, sorgt bei Helferin Erika für ein Grinsen. „Das will er einer Frau schenken, die er gern als Freundin hätte. Vielleicht klappt es ja“, erzählt sie, während ihre Hände weiter fleißig Lebensmittel in Tüten stecken.

Zwischen 50 und 60 Personen werden von der Toitenwinkler Tafel an jedem der Ausgabetage versorgt. Es könnten aber auch viel mehr sein. „Ich habe eine Warteliste. Morgen kann ich jemanden anrufen, der seit September wartet und nun nachrücken kann – das ist quasi ein Weihnachtswunder“, erzählt Antje Schultz. Damit Plätze frei werden, müsste sich die Situation der Bedürftigen deutlich bessern – oder diese umziehen und damit zu einem anderen Tafel-Standort zugehörig werden. „Wir kriegen jetzt wieder ein bisschen Kapazität, weil das Flüchtlingsheim Langenort zu uns gehörte und ja nun zugemacht wird“, sagt die Chefin.

Ihr Mann Thomas steht im Weihnachtsoutfit draußen hinter einigen Tischen mit Kisten. „Alles, was noch länger haltbar ist, wird dort für kleines Geld verkauft“, erklärt Antje Schulz. Zwei Duplos gibt es für zwanzig Cent, die Packung Saft für dreißig. „Es ist immer eine Überraschung, was ich hier in meinem kleinen Tante Emma-Laden anbieten kann“, sagt Thomas Ahrndt. Eines steht aber fest: Das Geld, das an seinem Stand eingenommen wird, kommt der Tafel zugute und finanziert Ausgaben wie beispielsweise den Sprit für die Fahrzeuge, die die Lebensmittel aus den Supermärkten abholen.

„Manchmal gab es auch schon Kleidung. Ich habe hier Winterstiefel für meine Tochter bekommen, Drei Euro statt 30, wie sie im Laden kosten würden“, erzählt Vivien. Diese Ersparnisse seien für sie enorm hilfreich. So kann sie nach langem Sparen der Tochter auch den größten Traum erfüllen. „Sie hat sich sehnsüchtig ein Tablet gewünscht, um damit zu malen, aber auch, um zu spielen oder etwas für die Schule zu machen“, erzählt die Toitenwinklerin. So, wie Melinas Augen schon beim Weihnachtspaket der Tafel gestrahlt haben, wird sich die Freude an Heiligabend sicher noch steigern, wenn sich der größte Wunsch des Mädchens endlich erfüllt.

Text: Claudia Labude-Gericke (Ostseezeitung)

Foto: Toitenwinkels Tafel-Chefin Antje Schultz verteilt Weihnachtspäckchen an die Geschwister Hadi, Ahmed und Lima (v.l.) Foto: Dietmar Lilienthal

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